Muttersegen

Predigt zur Beerdigung meiner Mutter

Einleitung:

“Der Tod der Mutter ist der erste Kummer, den man ohne ihren Trost aushalten muss.” So schrieb mir in diesen Tagen ein Freund. Ursprünglich stammt der Satz von einem französischen Dichter. Er bringt in seiner Kürze auf den Punkt, wie einschneidend der Tod unserer Mama für uns alle ist und sein wird. In Zukunft wird keiner von uns mit ihr in der Küche sitzen und über die schönen und bedrückenden Dinge des Lebens sprechen können. Aber irgendwie empfinde ich diesen Satz auch ein bisschen kurzsichtig. Denn das viele, das sie uns in ihrem langen Leben an Trost, an Lebensweisheit an Glaube und Hoffnung geschenkt hat, das kann uns keiner nehmen, auch nicht ihr Tod. Und so sind wir heute hier, um sie der Güte Gottes anzuvertrauen, uns gegenseitig Trost zu spenden und in der Hoffnung, dass wir durch Gottes Liebe über den Tod hinaus mit ihr verbunden bleiben.

Predigt

Eine Mutter sucht man sich nicht aus. Sie wird einem mit der Geburt geschenkt. Ein Geschenk Gottes, das war Maria für uns Kinder, Schwiegerkinder, Enkel und Urenkel – natürlich nicht immer und durchgängig; jeder einzelne von uns hatte auch seine ganz eigenen Konflikte, Verletzungen und Unmut mit ihr auszuhalten. Sie war nicht perfekt, so wie keiner von uns perfekt ist. Das wusste sie glaube ich selbst am besten.

In den letzten Jahren, in denen sie fast täglich, Rosenkranz, Vesper und Messe vor dem Fernseher mitgebetet hat, hatte ich immer wieder den Eindruck, dass sie durch die vielen Gebete versuchte, eine Schuld zu begleichen, bevor es zu spät dafür ist. Sie blieb sehr ungerne jemanden etwas schuldig und wollte keinem zur Last fallen. Gerade in ihren letzten Wochen. Und was sie gar nicht leiden konnte, wenn Menschen sich aufgrund ihres Besitzes, Ihrer Macht oder eines Amtes für etwas Besseres hielten. Auch zu solchen Menschen war sie freundlich, aber wer sie kannte merkte schnell, dass ihr innerlich ein “pff” über die Lippen kam. Sie hatte ihren Stolz, aber hochmütig war sie dabei nicht.

Die vielen Gebete in den letzten Jahren sollten wohl auch sowas wie die Begleichung dessen werden, was sie anderen Menschen, und Gott schuldig geblieben war. So hatte sie es ja in ihrer Kindheit gelernt, dass man sich seinen Platz im Himmel durch Wohlverhalten, Gebete und Buße verdienen muss.

Aber es gab auch den anderen Strang in ihrem Glauben: Das tiefe Vertrauen, dass Gott barmherzig verzeihend und gütig ist – wie eine liebende Mutter. Damit kannte Mama sich aus. In ihren letzten Tagen hat sie manches Mal geseufzt “O Mama hölf ma doch” Mutterliebe, so hat sie es selbst erfahren und versucht zu leben – Mutterliebe kann und braucht man sich nicht zu verdienen, sondern als Kind darf man darauf vertrauen, dass in den Zeiten der Not der Segen und die Hilfe der Mutter nicht ausbleiben. So hat sie es offensichtlich selbst erlebt und das war ihr Anspruch an sich, auch und gerade dann, wenn sie durch so manche Situation überfordert war. Vielleicht war ihr deswegen die Mutter Gottes so wichtig und so nah. Wie gerne sang sie Marienlieder, fand Trost und Kraft in Mariengebeten, … . “Segne Du Maria, segne mich Dein Kind. Dass ich hier den Frieden, dort den Himmel find!”

Und es gab in ihrem Leben viele Zeiten der Not und des Unfriedens.

  • Bei der Machtergreifung war sie fünf Jahre alt.
  • Als sie 11 war begann der Krieg.
  • Sie erlebte mit, wie die Juden aus ihrem Heimatort deportiert wurden.
  • Als sie 14 war starb ihr Bruder Klaus im Krieg.
  • Bei Kriegsende – sie war 17- stand sie im Weinberg, Schweich war schon befreit, aber sie hörte die Kanonenschüsse auf der anderen Moselseite.
  • Mit 24 verlor sie ihre Schwester.
  • Mit ihrer Heirat kam sie in ein Haus, indem es manche Lieblosigkeit und Härte gab und sie verlor ihr erstes Kind, ohne, dass sie jemals richtig trauern durfte und konnte. Manchen Kummer behielt sie für sich.
  • Mit 35 verlor sie ihren Vater mit 44 ihre Mutter.
  • Und in den letzten Jahren nicht nur ihren Mann, sondern fast alle, mit denen sie als Kind und junge Frau aufgewachsen und eng verbunden war.
  • Nur eins verlor sie nicht: Den tiefen Glauben, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur uns trennen können von der Liebe Gottes. Ich glaube fest daran, dass sie auch jetzt nicht von dieser Liebe getrennt ist, sondern nach einem langem, bewegtem Leben, in Bescheidenheit und Einfachheit mit all denen, die vor ihr gegangen sind in der Liebe Gottes weiter lebt. Eine mütterliche Liebe, die alle Tränen trocknet, allen Schmerz nimmt und allen Unfrieden versöhnt. “Segne du, Maria, alle die voll Schmerz, gieße Trost und Frieden in ihr wundes Herz”

Einen kleinen Vorgeschmack auf dieses neue ewige Leben waren vielleicht die Stunden des Glücks und der Zufriedenheit, die es ja auch gab. Die vielen Enkel und Urenkel, Hochzeiten und Familienfeste, Eine gute Ernte, Besuche von lieben Menschen, Treffen mit dem Jahrgang, manche kleine Freude, die sie anderen bereiten konnte und sei es nur ein paar gestrickte Socken –  oder einfach nur die Ruhe am Küchentisch mit Kaffee, Zigarette und ihrem Kartenspiel.

Und wenn wir heute Abschied nehmen und sie zu Grabe tragen, dann dürfen wir das in der Gewissheit tun, dass auch uns nichts trennen kann von der Liebe Gottes. Eine Liebe, die uns ganz konkret durch die Liebe unsere Mama gezeigt wurde. Ein bisschen von dem, was sie für andere getan hat konnten wir – jeder auf seine Weise – ihr in den letzten Monaten zurückgeben. Für die Pflege, die Zeit, die Geduld und die durchwachten Nächte möchte ich Euch meinen Geschwistern die ihr viel näher dran wart, von Herzen danken.

Mama wird fehlen, aber sie wird uns auch weiter begleiten und wir werden uns wiedersehen. Bis dahin wird ihre Liebe und ihr Segen, die aus der unerschöpflichen Quelle der Liebe Gottes kommen bei uns sein. Denn so hat sie immer gesungen:

Segne Du Maria, alle die mir lieb,
Deinen Muttersegen ihnen täglich gib!
Deine Mutterhände breit auf alle aus,
Segne alle Herzen, segne jedes Haus!

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