Lourdes-Coctail

Ich selbst war noch nie in Lourdes. Es steht auch eher weit unten auf meiner Liste der Orte, die ich noch besuchen möchte. Dennoch kann ich verstehen, dass dieser Ort eine große Anziehungskraft auf Menschen ausübt. Ein Kraftort, an dem Menschen Gemeinschaft erleben, sich durch Gebete und Rituale stärken lassen…
Als meine Eltern sich den lang gehegten Wunsch erfüllten mit einem Pilgerzug nach Lourdes zu wallfahren, kamen sie mit gemischten Eindrücken zurück. Einerseits gab es den kritischen Blick auf all das, was sich eher wie Massentourismus oder Geldmacherei angefühlt hatte: Teure Andenkenläden, Massenabfertigungen, klerikale Eitelkeiten … Andererseits gab es auch tief bewegende Erlebnisse: Die Erfahrung, wie erträglich doch die eigene angeschlagene Gesundheit im Licht der vielen schwer erkrankten Menschen ist, das mitreißen lassen von den Gebetsrufen auf den Prozessionen, das untergetaucht werden im Quellwasser…


Mit im Gepäck auf der Heimreise war dann natürlich auch abgefülltes Lourdeswasser. Und zu Hause (mal wieder) die Erzählung von meiner Großtante, die kurz vor meiner Geburt verstorben ist. Auch sie war einmal in Lourdes und brachte Wasser mit. Und sonntag abends trank sie es. Aber nicht pur. Mit in das Glas Lourdes-Wasser kam auch ein Schluck Cognac. So schmeckte es gleich viel besser.
Ob der Lourdes-Coctail geholfen hat? “Da muss man auch dran glauben” – Na-ja müssen muss man nicht, aber man kann. Die Grenzen zwischen Glauben und Aberglauben sind fließend. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Lourdeswasser eine medizinisch, stoffliche Wirksamkeit hat. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass das Ritual meiner Großtante eine psychologische Wirkung auf sie hatte. So wie auch das untergetaucht werden im Lourdeswasser für meinen Vater ein bewegender Moment war. Gefährlich wird es dann, wenn Rituale und Symbole benutzt werden um sich selbst einen Vorteil gegenüber anderen Menschen zu verschaffen. Sei es um sich (finanziell) zu berreichern, sei es um andere Menschen für eigene Zwecke zu instrumentalisieren oder Macht über sie auszuüben. Leider geschieht auch das immer und immer wieder.

Einer meiner Religionslehrer, ein Monsignore, erzählte uns, dass er einmal nach einer Predigt in Rom angezeigt wurde. Er hatte gesagt: “Weihwasser ist kein Aggregatzustand des Heils” Die Klage wurde geprüft und es wurde ihm bescheinigt, dass er das so sagen dürfe. Immerhin. Was für mich durch diesen Satz deutlich wird: Die vielen Rituale, ob Weihwasser, Blasiussegen, Aschekreuz, Lourdeswasser oder Gebet werden völlig mißverstanden, wenn sie auf rein materialistische, stoffliche Effekte oder Wirksamkeit reduziert werden. Wer das tut, der sollte sich auch abgewöhnen anderen einen guten Morgen oder zum Geburtstag Glück und Gesundheit zu wünschen. Das alles ist aus materialistischer Sicht bedeutungslos. Aber der darin liegende Zuspruch, die positive Zukunftshoffnung sie können eine Kraftquelle sein, gerade dann, wenn die Umstände anderes erwarten lassen. Und als Christ glaube ich daran, dass diese Hoffnung nicht ins Leere läuft.

Wer weiß, vielleicht probiere ich heute am Gedenktag “Unserer lieben Frau in Lourdes” den Lourdes-Coctail meiner Großtante einmal aus.

Man fülle ein Glas zu gleichen Teilen mit Lourdeswasser und Cognac und trinke es achtsam und genußvoll.

Und wer weiß, vielleicht hilft er ja und ich komme auf den Geschmack und Lourdes rutscht auf meiner Liste der Orte, die ich mal besuchen will, weiter nach oben. Auch das wäre ja schon ein kleines Wunder.

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