Dien-Mut

Statio im Gottesdienst am 6. Mai 2007
Pastoralreferent Richard Schu-Schätter

Biblische Texte: Jak 3,16-4,3 und Mk 9,30-37

[1 Einleitung]

In jeder Eucharistiefeier flehen wir Gott um sein Erbarmen an. Er, der Herr über Leben und Tod, der uns befreit und erlöst, ihn bitten wir, das, was bei uns schief läuft, was uns bedrückt und klein macht, mit seiner Liebe zu verwandeln. Uns zu verwandeln. Wenn es nicht so aus der Mode gekommen wäre, könnte man das, was wir da in jedem Gottesdienst tun, als Demut bezeichnen.

[2 Missbrauch der Demut]

Aber irgendwie hat das Wort Demut in unserer Zeit einen negativen Beigeschmack. Wir haben fast ganz aufgehört, von Demut zu sprechen Und vermutlich ist es gut, dass wir dieses Wort nur noch selten in den Mund nehmen. Zu oft wurde das Wort Demut missbraucht.

Es wurde missbraucht als Feigenblatt für Unterdrückung, Gewalt und Demütigung. Es ist sehr leicht von anderen Demut zu fordern, um die eigenen Ideen, die eigene Macht, die eigenen Ansprüche und Überzeugungen durchzusetzen. Wäre es nicht toll, wenn unsere Politiker, unsere Wirtschaftsbosse, unsere kirchlichen Amtsträger, unsere Gemeindemitglieder oder auch unser Nachbar etwas mehr Demut zeigen würden? Aber wenn wir genau hinsehen und hinhören, dann steckt hinter der Aufforderung zur Demut meist ein Eigeninteresse. Die anderen sollen demütiger sein, damit ich mich mit meinen Ideen und Forderungen besser durchsetzen kann. Und so gerät die Forderung nach Demut leicht auf die schiefe Bahn und wird selbst hochmütig, Und in extremen Fällen führt die Forderung nach Demut dazu, dass andere ge-demütigt werden. Was wir von Demütigungen zu halten haben, wissen wir sehr genau. Es ist gut, dass wir das Wort Demut nicht mehr so oft benutzen.

Ein zweiter Missbrauch der Demut fällt mir auf: Es sind die Menschen, die sich selbst übertrieben demütig geben. Und die Demut als Feigenblatt für Verantwortungslosigkeit und Duckmäusertum missbrauchen. Anstatt gegen Ungerechtigkeiten aufzubegehren und das Wort zu ergreifen, wenn Menschen erniedrigt werden, versteckt man sich hinter einer falsch verstandenen Demut und mischt sich nicht ein. Demut von anderen zu fordern und aus falsch verstandener Demut Unrecht geschehen zu lassen haben mit wirklicher Demut wie sie uns von Jesus vorgelebt wurde nichts zu tun.

[3 Dien Mut]

Was Demut wirklich meint könnte man vielleicht besser mit Dien-Mut, also dem Mut, einem anderem zu dienen, ausdrücken. Aus dieser Übersetzung ergeben sich einige Kriterien, woran wir wirkliche Demut erkennen können. Eine Demut, wie sie uns Jesus von Nazareth vorgelebt hat.

Wirkliche Demut, sie kann einem Menschen nicht aufgezwungen werden. Demut erfordert die freie Entscheidung einem anderen zu dienen, auf die eigenen Machtansprüche zu verzichten, die Interessen der anderen wahr und ernst zu nehmen und die eigenen Interessen zurückzustellen. Jesus hat dies immer wieder getan. Er hat die Menschen eingeladen ihm zu folgen. Er hat sich ihnen zugewandt und er hat auch Forderungen gestellt. Aber nie hat er einen Menschen gezwungen seinen Weg der Liebe mitzugehen. Im Gegenteil: „Wollt auch ihr gehen?“ fragt er seine Jünger; und bei der Aussendung der Jünger sagt er ihnen, dass sie das Haus, indem sie nicht willkommen sind, verlassen sollen. Es ist eine Grundwahrheit unseres Glaubens, dass niemand zum Glauben und zur Liebe gezwungen werden kann und eben auch nicht zur Demut. Wird jemand zur Demut gezwungen, dann zeigt er keine Demut, sondern er wird gedemütigt.

Demut ist aber Zweitens immer aktiv. Sie lässt nicht einfach irgendetwas geschehen, sondern fragt mutig danach, wie sie dem anderen dienen kann. Oftmals können wir dem anderen dienen, indem wir ihm den Vortritt lassen und auf die Durchsetzung unserer eigenen Interessen verzichten. Immer wieder kann es auch vorkommen, dass die Demut von uns verlangt unbequem zu werden und uns dem Interesse anderer entgegenstellen, zum Wohl der Menschen. Genau in dieser Spannung stand auch Jesus. Einerseits hat er darauf verzichtet, die Sympathien des einfachen Volkes zu nutzen um die mächtigen seiner Zeit unter Druck zu setzen. Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Und andererseits ist er immer wieder mutig und unbequem den Pharisäern und Schriftgelehrten seiner Zeit entgegen getreten immer den Blick auf das Heil der Menschen gerichtet. Aktiv danach zu fragen, wie wir den Menschen dienen können, dass ist es, was Jesus auch von uns erwartet. „Wer der Erste unter euch sein will, soll der Diener aller sein:“

Und ein drittes Kriterium fällt mir ein. Wirkliche Demut in der Nachfolge Jesu bleibt immer ein Versuch. Wirkliche Demut erkennt, dass sie nie an ihr Ziel gelangt, sondern immer wieder von neuem fragen muss, was den Menschen dient. Martin Luther hat das so ausgedrückt: „Rechte Demut weiß nimmer, dass sie demütig ist“ Jemand der ernsthaft von sich behauptet ein demütiger Mensch zu sein und bereits genug getan zu haben, ich glaube er hat noch nicht lange genug über sich selbst nachgedacht.

[4 demütige Gemeinde]

Auf der Ebene der persönlichen Lebensführung bleibt meine Predigt unkonkret. Wer bin ich, dass ich auch nur einem von ihnen sagen könnte, wie er oder sie das eigen Leben demütiger gestalten könnte. Aber ich glaube dass Demut eine Haltung ist, die wir auch als Gemeinde hier in Wolbeck gemeinsam leben können.

Wir könnten aufhören, von den Menschen in unserem Dorf und in unserem Land mehr Demut oder Bescheidenheit oder Rücksichtnahme oder Engagement zu fordern. Wenn wir diese Forderungen an uns selbst stellen und den Menschen vorleben, was wir für richtig halten, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Und ein zweites können wir versuchen: Anstatt danach zu fragen, was die Menschen in Wolbeck für unsere Gemeinde tun könnten oder müssten oder sollten, können wir mutig danach fragen, was wir als christliche Gemeinde für die Menschen hier in Wolbeck tun können.

Und drittens sollten wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir noch nicht genug getan haben und dass wir mit unserer Liebe und unserer Demut immer wieder an Grenzen stoßen. deshalb ist es gut, dass wir in jedem Gottesdienst Gott um sein Erbarmen bitten.

In den beiden Lesungstexten von heute taucht das Wort Demut kein einziges mal auf. Und dennoch glaube ich, dass wir im Hören auf diese Worte viel von der christlichen Demut erfahren. Denn es wird beschrieben, was passiert, wenn die Demut fehlt. Wenn wir Menschen versuchen unsere Überzeugungen, unseren Glauben, unsere Interessen mit Macht und Gewalt durchzusetzen und anderen aufzuerlegen, wenn wir Unrecht geschehen lassen und nicht danach fragen, was wir für andere tun können und wenn wir glauben, selbst bereits genug getan zu haben. Jesus ist einen anderen Weg gegangen. Folgen wir ihm nach in seinem Mut zum dienen.

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